Es gibt Bilder, die sagen mehr als tausend Worte. Und dann gibt es Bilder, die nur durch gezielte Manipulation überhaupt etwas sagen sollen – und dabei mehr über ihre Urheber verraten als über ihr angebliches Motiv. So wie das gefälschte Spiegel-Cover mit der bayerischen Grünen-Politikerin Katharina Schulze, das sie angeblich beim Hitlergruß zeigt. Nur: Es ist kein Hitlergruß. Es ist ein Winken. Und es ist ein Fake. Ein sehr offensichtlicher.
Trotzdem sorgt das Bild im Netz für Aufregung – und offenbar auch für juristische Fehlgriffe.
Satire oder Straftat?
Die Fotomontage: grob, plump, schlecht gephotoshopt. Ein gefälschtes Titelblatt des Spiegel, auf dem Schulze mit gestrecktem Arm und grüner Armbinde zu sehen ist. Die Überschrift: „Das grüne Reich: Die Machtergreifung“. Die Bildquelle? Offenbar ein Standbild aus dem Jahr 2018, aufgenommen bei einer öffentlichen Wahlveranstaltung – in Wahrheit winkt Schulze fröhlich in die Menge. Dass es sich nicht um ein Original-Spiegelbild handelt, erkennt man auch aus dem über den Rahmen hinausgehenden Körper von Katharina Schulze – Der Spiegel bleibt üblicherweise im Rahmen.
Dass solche Bilder durch das Netz geistern, ist nicht neu. Die Frage ist vielmehr: Was macht die Justiz in Bamberg und Haßfurt daraus?
Im aktuellen Fall von Stefan Niehoff offenbar eine ganze Menge – und das, obwohl die Satire-Absicht mit dem Holzhammer serviert wird.
Ein Richter sieht Rot – aber nicht den Humor
In den sozialen Medien wird der Bildfake als stark zugespitzte Polit-Satire geteilt – oft in Kombination mit ironischen Kommentaren, manchmal auch mit kritischer Absicht. Doch anstatt zwischen Meinung, Satire und Hetze zu unterscheiden, scheinen manche Staatsanwaltschaften und Gerichte in den Alarmmodus zu verfallen. Insbesondere die Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich um „Hass und Hetze“ kümmern sollen.
So etwa ein Fall aus Haßfurt, wo Richter Keller offenbar die Grenze zwischen Fake und Fakt, zwischen Witz und Wirklichkeit nicht mehr erkennt. Dort wird gegen den Bürger Stefan Niehoff ermittelt, der das Schulze-Fakebild „retweetet“ haben sollen. Der Vorwurf: Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen.
Die juristische Kernfrage lautet: Darf man etwas Offensichtlich-Falsches verbreiten, wenn es als Satire oder Kritik erkennbar ist?
Die Antwort des Grundgesetzes: Ja
Denn der Satire kommt im deutschen Recht ein besonderer Schutz zu. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt:
„Satire darf übertreiben, verfremden, verletzen – solange ein erkennbarer Kern von Aussageabsicht besteht.“
Ein Bild, das offen als Fake-Cover des Spiegel zu erkennen ist, das eine Politikerin mit Grünen-Armbinde versieht und mit „Das grüne Reich“ betitelt, stellt genau das dar: eine bewusst überzeichnete Karikatur, nicht etwa eine Tatsachenbehauptung.
Und gerade in diesem Fall gibt es einen konkreten, satirisch-politischen Anknüpfungspunkt: die zunehmend obrigkeitsstaatlichen Eingriffe der Grünen im Namen des Klimaschutzes.
Klimaschutz – mit harter Hand?
Die Grünen verlangen in ihren Programmen:
- das Verbot fossiler Heizungen
- Sanierungspflichten für Hausbesitzer
- CO₂-Bepreisung und Verkehrsreglementierung
- Tempolimits, Werbeverbote, Solardachpflicht
- einen „Klimavorbehalt“ für nahezu alle Gesetzesvorhaben
All das wird nicht nur empfohlen, sondern als verbindlich, alternativlos und moralisch geboten dargestellt. Der individuelle Lebensstil soll durch staatliche Lenkung umgeformt werden – notfalls gegen den Willen der Bevölkerung. Das erinnert an die dunkelsten und totalitärsten Zeiten im Deutschland des vorigen Jahrhunderts.
Wer hier satirisch auf einen „grünen Zwangsstaat“ anspielt, mag überzeichnen – aber er greift reale Tendenzen auf.
Wenn Justiz zur Karikatur wird
Natürlich ist politische Schmähung nicht immer elegant. Aber sie ist erlaubt. Und muss erlaubt bleiben – gerade in Zeiten, in denen politische Karikatur nicht nur mit dem Stift, sondern auch mit Photoshop geschieht. Um das aber zu verhindern, hat die vormalige Innenministerin einen «Aktionstages gegen Hass und Hetze» ins Leben gerufen – und genau an dem Tag in 2024 wurde bei Stefan Niehoff die Hausdurchsuchung durchgeführt.
Wer daraus Straftaten bastelt, verkennt den Charakter von Meinungsfreiheit – und wird selbst zum Problem. Die Justiz wäre zu raten: Weniger Zensurreflex, mehr Augenmaß.
Und Richter Keller: Vielleicht einfach mal lachen. Oder wenigstens den Unterschied zwischen Winken und Wehrmacht lernen. Denn Satire, die auf reale politische Machtansprüche reagiert, ist nicht gefährlich. Sie ist notwendig.
Unser Dank gilt Janina Lionello, die am 18.06.2025 vom Gerichtsprozess gegen Stefan Niehoff in Haßfurt berichtet hat:
<blockquote class=“twitter-tweet“><p lang=“de“ dir=“ltr“>Unter anderem wegen des Verbreitens dieser Montage hat das Amtsgericht Haßfurt Stefan Niehoff heute zu 55 Tagessätzen verurteilt – weil es darin eine Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen sieht. (Wichtig: Es wurde keine Politikerbeleidigung zur Last gelegt und auch nicht,… <a href=“https://t.co/ziAhvlC79U“>pic.twitter.com/ziAhvlC79U</a></p>— Janina Lionello (@janinisabel) <a href=“https://twitter.com/janinisabel/status/1935386708788355417?ref_src=twsrc%5Etfw“>June 18, 2025</a></blockquote> <script async src=“https://platform.twitter.com/widgets.js“ charset=“utf-8″></script>
Eine Antwort
Hier noch ein anderes Beispiel:
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/stern-zeigt-donald-trump-mit-hitlergruss-5261317.html