Anfang März wurde die abgehörte Telefonkonferenz der obersten Luftwaffenoffiziere bezüglich der Taurus-Marschflugkörpers geleakt und hat für erhebliches Aufsehen gesorgt. Das Gespräch wurde bereits am 19. Februar 2024 aufgezeichnet aber erst am 01. März 2024 veröffentlicht.
In diesem Gespräch diskutierte der Inspekteur der Luftwaffe, der General Ingo Gerhartz, mit Brigadegeneral Frank Gräfe, Abteilungsleiter für Einsätze und Übungen im Kommando Luftwaffe sowie zwei Offizieren des Weltraumkommandos der Bundeswehr, dem Oberstleutnant Fenske und dem Oberstleutnant Florstedt. Die Diskussion drehte sich insbesondere über theoretische Möglichkeiten eines Einsatzes der Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine, einschließlich der technischen Machbarkeit, ukrainischer Beteiligung bei der Zielprogrammierung und der Dauer der Ausbildung für Ukrainer an diesen Waffensystemen (ZDFmediathek) (Taurus-Abhörfall).
Das Gespräch dauerte etwa 38 Minuten und ist auch aktuell noch über Youtube Mitschnitt des gesamten abgehörten Gesprächs der Bundeswehr zum Thema Taurus und Kertsch Brücke. (youtube.com) bzw. über Rumble Gelekte informatie Duitse Bundeswehr Taurus raketten aanval Rusland (rumble.com) abrufbar.
Die Bundesregierung bestätigte die Echtheit des Mitschnitts und Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den Vorfall als „eine sehr ernste Angelegenheit“. Der Militärische Abschirmdienst prüfte den Vorfall auf Verstöße gegen die militärische Geheimhaltung, mittlerweile ermittelt auch der Generalbundesanwalt Rommel.
Generalbundesanwalt ermittelt zum „Taurus“-Leak | tagesschau.de
Taurus: Generalbundesanwalt ermittelt wegen abgehörter Bundeswehr-Besprechung – DER SPIEGEL
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ordnet den Vorfall als Teil eines Informationskriegs Russlands gegen Deutschland und einen hybriden Angriff zur Desinformation ein. Das Verhältnis zu den Bündnispartnern würde demnach nicht beeinträchtigt.
Nach ersten Untersuchungen der Bundeswehr war ein „individueller Anwendungsfehler“ für das Abhören des Gesprächs verantwortlich. Der Fehler ging nach Presseberichten auf den Teilnehmer Frank Gräfe zurück, der von Singapur aus an der Konferenz teilnahm. Nicht alle Teilnehmer hätten sich an das sichere Einwahlverfahren gehalten (BR.de).
Während des Gespräches erwähnten die Offiziere folgende Aspekte:
- Verteidigungsminister will in den Taurus „einsteigen“
- es existieren Gerüchte, warum der Kanzler blockt, Taurus würde nicht funktionieren
- Verteidigungsminister hat in einer Demo-Show einmal einen Taurus gesehen, kann sich über die notwendige Infrastruktur nichts vorstellen
- Was sind die kritischstes Punkte:
Timing – Dauer der Schnittstellen Taurus-Flugzeug als Waffenträger, entweder die F-16 oder die SU - Auslegung der Flugkörper – ohne die „Firma“ (gemeint MDBA in Schrobenhausen) kann gar nichts passieren
- Flugkörper müssen umgerüstet werden, Hoheitsabzeichen sind abzumachen
- Ausbildung der Ukrainer könnte wie bei Iris-T erfolgen – vor Ort bei der Industrie erfolgen, Bundeswehrangehörige monitorieren vor Ort
- Datenbanken, Satellitenbilder könnten von Bundeswehr kommen
- Flugzeuge, die die storm shadow (britischer Marschflugkörper) einsetzen, könnten auch für den Taurus verwendet werden
- Von Fenske und Florstedt ausgeführt; Einsatz Empfehlung und erste Missions-Planung sind komplex – Schulung des eigenen Personals dauert dafür 1 Jahr, hier sind mindestens zwei Monate relevant, Planung könnte aus Büchel (Rheinland-Pfalz) heraus erfolgen, Datenfile über Datenleitung
- Zieldaten kommen mit Satellitenbildern unter 3 Metern Genauigkeit könnten in Büchel verarbeitet werden, dann in Schrobenhausen (bei MBDA, schließlich Übergabe der Daten in Polen
Lösungsmöglichkeiten mit Auto- - In der Ukraine sind viele Leute mit amerikanischem Akzent und in Zivilklamotten anzutreffen
- 50 Flugkörper sind schnell verschossen
- Bundeswehr will auch nicht alle abgeben
Der Inspekteur der Luftwaffe, Gerhartz, bringt dann die Diskussion unter den Offizieren auf den Punkt:
„Wir alle wissen ja, dass sie die Brücke rausnehmen wollen – so das ist klar. So wissen wir auch, was das am Ende bedeutet, dann ist die Versorgung wieder so wichtig – nicht nur nicht nur militärisch strategisch wichtig auch so ein bisschen politisch – ist die ist die gute Insel da ja ihr Herzstück, jetzt nicht mehr ganz so ganz so fatal wo sie ja quasi ihre Landbrücke mehr od weniger dahin haben aber da hat man eben Angst wenn da der direkte Link der Streitkräfte in die Ukraine geht und da wäre halt dann immer die Frage kann man im Grunde genommen den Trick pullen dass man dass man unsere Leute abstellt zur MBDA dass nur eine Direct Line zwischen MBDA und der Ukraine ist dann ist es weniger schlimm wie wenn wenn die Direct Line unserer Truppe zu Ihnen ist.“
Mit „die Brücke rausnehmen“ meint der General Gerhartz die Kertsch-Brücke, ein fast 20 Kilometer langes Bauwerk, das die Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet: Krim-Brücke
Die Planung eines Anschlags auf die Kertsch-Brücke mit Taurus-Marschflugkörpern könnte unter bestimmten Umständen als Vorbereitung eines Angriffskrieges nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) betrachtet werden. Gemäß § 13 VStGB wird die Planung, Vorbereitung oder Einleitung eines Angriffskrieges oder einer sonstigen Angriffshandlung, die eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft. Eine Angriffshandlung wird definiert als die gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat (Dejure).
Es ist jedoch zu beachten, dass die Strafbarkeit nach diesem Paragraphen voraussetzt, dass entweder der Angriffskrieg geführt oder die sonstige Angriffshandlung begangen worden ist, oder dass durch sie die Gefahr eines Angriffskrieges oder einer sonstigen Angriffshandlung für die Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt wird. Beteiligter einer Tat nach § 13 VStGB kann nur sein, wer tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken (Dejure).
Angesichts der Komplexität der Materie und der spezifischen Anforderungen für die Anwendung des § 13 VStGB, wäre für eine konkrete Beurteilung, ob die Planung eines Anschlags auf die Kertsch-Brücke mit Taurus-Marschflugkörpern als Vorbereitung eines Angriffskrieges betrachtet werden könnte, eine detaillierte Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Vor dem Hintergrund, dass die Staatsverfolgungsbehörden und insoweit auch der Bundesgeneralanwalt einem politischen Weisungsrecht unterliegen, darf die Strafverfolgung gegen die Luftwaffenoffiziere eine theoretische Überlegung bleiben. Andererseits wird es über die nächsten Jahre hinweg sicherlich zu politischen Umbrüchen kommen und ob dann noch diese Rückendeckung bestehen bleibt, ist abzuwarten.
In den alternativen Medien wurde über Strafanzeigen gegen die Bundeswehroffiziere berichtet:
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